Alpenpass und Rennrad fahren

Als ich mit dem Rennrad Fahren anfing, war ich froh, wenn die gewählte Strecke möglichst flach daherkam und war mental sehr weit weg von Alpenpass. Als Norddeutsche wird einem diese Liebe zum flachen Land wahrscheinlich ungefragt in die Wiege gelegt. Diese Weite, der viele Himmel, und dann einfach mal ordentlich heizen grad aus, fand ich richtig gut.

Ich erinnere mich noch ziemlich genau daran, wie ich vor meiner Rennrad-Zeit das erste Mal das Stilfser Joch (ja infamous Stelvio) mit dem Auto „erklomm“ und mich über all die Bekloppten auf ihren Rädern wunderte, die sich da gefühlt in Zeitlupe Kurve um Kurve den Berg hochquälten. Ich konnte es damals nicht fassen und nicht nachvollziehen, was einen Menschen dazu bewegt, sich so etwas anzutun.

Niemals hätte ich gedacht, dass ich irgendwann mal selbst einer dieser Bekloppten sein würde.

Im Münchner Umland kann man schon mal den einen oder anderen Berg auf einer Tour fahren. Hier bieten sich vor allem Valepp zum Spitzingsee (5 km, 200 hm, 4,5 % Durchschnittssteigung) oder das Sudelfeld an (je nachdem wo man startet, aus Oberaudorf z.b. 15 km, 600 hm 4 % Durchschnittssteigung). Aber so richtig hochalpiner Bergpass? Fehlanzeige. Also hatte ich auch nicht den blassesten Schimmer wie es sein würde, meinen allerersten richtigen Alpenpass zu erklimmen: das Timmelsjoch, 22 km, 1000 hm, 4,7% Durchschnittssteigung.

Der erste Alpenpass mit dem Rennrad

Im Vorhinein hatte ich nur das schlimmste gehört. Eine absolute Qual, viel Verkehr, Anstrengung pur, usw. Mit äußerster Anspannung startete ich also auf meinen ersten Rennrad-Alpenpass (alles über unsere Alpenüberquerung hier im Detail) und war sofort Fan. Vielleicht liegt es auch an meiner großen Liebe zum Wandern, bei dem man sich auch Schritt für Schritt einen Berg zu eignen macht und am Ende ein Gefühl des Bezwingens hat.

Kurviger Alpenpass, ideal zum Rennrad fahren
Dolomitenpass / Foto @bjoern.reschabek während Rad Race Girls Camp

Genauso ist das auch beim Radfahren auf Alpenpässen. Mit purer Muskelkraft und viel Ausdauer erklimmt man Tritt um Tritt diesen Berg, der sich da einem einfach in den Weg gestellt hat. Der Radcomputer zeigt durchgehend Zahlen an, die man eigentlich gar nicht wissen will (vor allem die Steigung). Und doch muss man immer wieder kontrollieren, wie weit man bereits gekommen ist und was noch vor einem liegt. Auch muss man seine Kräfte gut einteilen. Watt Zahlen kontrollieren und gegeben falls etwas rausnehmen, damit man auch gegen Ende noch Kraft über hat zum Treten. Das non plus Ultra ist natürlich den gesamten Alpenpass ohne ein einziges Mal Anhalten zu schaffen (was für den fotoaffinen Genussradler schon eine große Herausforderung ist).

Oben angekommen gibt es dann das pure Glücksgefühl.

Man kann es nicht fassen. Bin ich da eben echt X km lang Kurve um Kurve auf diesen Berg gefahren? Ein bisschen hat man das Gefühl, seinen Körper überlistet zu haben. Dem Berg etwas abgetrotzt zu haben. Einen Schritt weiter gekommen zu sein. Allein schon für die Aussicht hat es sich natürlich meistens schon gelohnt. Aber es ist so viel mehr als die Aussicht. Einfach ein mega Gefühl, das süchtig macht.

Spreu und Weizen trennen sich in der Abfahrt

Und dann kommt der Teil, an dem sich die Spreu vom Weizen trennt. Die Abfahrt. Ich gehöre hier eindeutig noch zum Spreu-Lager, ist dieser Teil doch immer noch das schlimmste am Bergfahren für mich. Mit 100 Sachen könnte man den Berg wieder runterfahren, sich in die Kurven legen, dem Asphalt nahekommen, im optimalen Zeitpunkt Bremsen und wieder laufen lassen. Genuss pur, so sagt man mir.

Abfahrt vom Alpenpass
Sieht aus wie Spaß, ist aber Horror 🙂 / Foto @bjoern.reschabek

Stattdessen klammer ich mich an meinen Lenker, versuche verzweifelt links und rechts im Wechsel zu Bremsen, damit nichts überhitzt und versagt. Das zunehmende Gewicht auf meinen Armen wird mir zu viel. Dann wird es mir zu schnell. Und dann muss ich auch schon mal ab und zu ne Pause einlegen, um mich vom Abfahren zu erholen (hier dann endlich Fotomöglichkeit, juhu).

Mir wurde gesagt das wird besser mit der Zeit. Viel üben soll man. Und irgendwann ist es dann ein Hochgenuss. Trotzdem ist für mich mittlerweile der Alpenpass das Non plus ultra am Rennradfahren. Besser geht nicht. Immer wieder. Jedes Jahr. So oft wie möglich fahre ich jetzt Berge.